Interview mit Corinna Ponto, Tochter von Jürgen Ponto
Der RAF-Film verletzt die Menschenwürde
07.10.2008 - 13.18 Uhr

Seit fast vier Wochen wird der neue RAF-Film in den Medien beworben. Seit 14 Tagen läuft er in den Kinos. Nun hat sich Corinna Ponto, die Tochter des 1977 ermordeten Dresdner Bankchefs Jürgen Ponto, den Film angesehen und ist entsetzt. Ihrer Mutter, Ignes Ponto, reichten bereits die Werbetrailer, die die Erschießung ihres Mannes immer wieder auf allen Kanälen im Fernsehen zeigten, um zu einem Entschluss zu kommen. Gestern hat Ignes Ponto das ihr einst für Jugendarbeit verliehene Bundesverdienstkreuz demonstrativ an diesen Staat, an den Bundespräsidenten, zurück gegeben. Corinna Ponto erklärt exklusiv in diesem Interview, warum sie und ihre Familie sich jetzt öffentlich äußern und warum sie sich als Familie im Kern ihrer Menschenwürde getroffen fühlen. Das Interview führte Bettina Röhl.

Bettina Röhl: Sehr geehrte Frau Ponto, lassen Sie mich ganz schnörkellos fragen: Wie oft haben Sie Ihren Vater, Jürgen Ponto, im Film „Der Baader-Meinhof-Komplex“ in den letzten Wochen im deutschen Fernsehen sterben sehen, bzw. gesehen, wie er erschossen wird?

Corinna Ponto:  Meine erste Begegnung mit dieser Szene war, als ich am 15. September spätabends die Sendung „Bei Beckmann“ sah, in der die US-Schauspielerin Shirley McLaine kurz nach der gezeigten Szene der Ermordung meines Vaters Zweifel äußerte, ob die gezeigten RAF-Opfer „wirklich nur Opfer waren“. Beckmann fiel ihr, lapidar überleitend, ins Wort: „ Ja, sie sind Opfer, also, es sind viele Opfer dabei gewesen, die wirklich dafür nichts konnten, wenn ich an die Entführung der Landshut denke ... und dann führte er aus, dass die Schauspielerin Nadja Uhl in zwei unterschiedlichen Filmen einmal eine RAF-Täterin und eine Überlebende der Landshut-Entführung spielt.  Genauso wie im Film, in dem mein Vater nur zu dem Zweck ermordet wird, damit die Täter durch ihre Tat präsentiert werden können, wurde in dieser Talkshow verfahren. Die Filmszene wurde in voller Länge nur deshalb gezeigt, um eine Schauspielerin zu fragen, wie sie sich fühlt die Mörderin zu spielen. Und keiner fragte, wie sich die Familie fühlt, die die Ermordung ihres Mannes und Vaters auf diese Weise das erste Mal im Fernsehen zu sehen bekommt, mit dem Wissen, dass Millionen andere Menschen diese Szene gleichzeitig sehen. Das war wirklich entsetzlich.

Bettina Röhl: Sie sind also, wenn ich es so hart ausdrücken darf wie es ist, über das öffentlich-rechtliche Fernsehen „informiert“ worden, wie die Ermordung Ihres Vaters, Jürgen Ponto, filmisch umgesetzt wurde.

Corinna Ponto: Dieses erste Mal konnte ich bei der Szene selbst noch rechtzeitig den Blick abwenden, hörte aber noch die ganze grausame Tonspur. Tags darauf musste ich zusätzlich für mich eine neue Begegnung mit deutscher Fernsehwirklichkeit machen. Um 20.11 Uhr sendete der Kooperationspartner des Films, die ARD, in der Tagesschau dieselbe Szene, quasi als Nachricht verpackt. Tatsächlich war es eine  Marketingmaßnahme  – eine Symbiose zwischen Nachrichtsendung und Spielfilmwerbung, die ich bis dahin nicht kannte.

Bettina Röhl: In der ARD wurde kürzlich sogar ein Film über den Film ausgestrahlt, in dem sich Edel, Eichinger, Aust und die Schauspieler nach allen Regeln der Kunst spreizen. Die Ermordung von Jürgen Ponto durch die RAF ist jedenfalls in den vergangenen Wochen unendlich häufig sogar auch als Werbung über die Bildschirme geflimmert und im Internet sogar als Anklick-Trailer über hunderte von Medien verbreitet worden.

Corinna Ponto: Richtig hingesehen habe ich erst vor zehn Tagen. Da wir nicht zu dem auserwählten vorinformierten Kreis gehörten, der den Film vor dem Kinostart sehen durften, habe ich mir nach dem offiziellen Start eine Kinokarte gekauft. Deswegen kann ich mich auch jetzt erst zu dem Film äußern. Ich war, ehrlich gesagt, noch entsetzter von dem Film, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich hatte befürchtet, die Gewaltszenen würden mich martern, aber es war etwas Anderes, zusätzlich bestürzend: Die geschickt versteckte, doch latent vorhandene Grundpsychologie: Hier die Charakter- und Rollen-Studien der Terroristen und dort die klischee-, karikaturnahen Opfer-Darstellungen. Das war der wirkliche Schock. Und eine Furcht kommt dazu: Genau dieses Muster pubertierenden Schulkindern als Geschichtsdarbietung zu präsentieren, wie es die Filmfirma vorhat und auf ihrer Website anbietet. Ich habe zwei Kinder, die zur Schule gehen. Und ich möchte nicht, dass meine Kinder sich über die Ermordung ihres Großvaters auf der Basis eines solchen verfälschenden Filmes, der auch noch angereichert ist mit überfordernden Gewaltexzessen, mit ihren Schulkameraden auseinander setzen müssen.

Bettina Röhl:  Wie hat Ihre Mutter die letzten Wochen der permanenten Medienpräsenz des RAF-Films, seiner Macher und der Schauspieler erlebt?

Corinna Ponto: Meine Mutter Ignes Ponto, sie ist 79 Jahre alt, erlebte sprachlos die mehrfach verantwortungslos verfälschte, öffentlich dargebotene filmische Hinrichtung ihres Mannes in vielen verschiedenen Programmen der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten. Ihr und uns, einschließlich der noch sehr jungen Familienmitglieder, wurde zugemutet, als unvorbereitete Zuschauer die Szene dieses filmisch inszenierten Attentats ertragen zu müssen - als Vermarktungs-Thriller, unkommentiert, sogar hin und wieder angeregt angekündigt unter dem Motto „Let´s go Oscar!“.

Bettina Röhl: Die Filmemacher rühmen auf vielen Kanälen gleichzeitig ihre besondere Detailtreue und die von ihnen gelieferte Authentizität.

Corinna Ponto: Da müssen wir vehement widersprechen. An der Darstellung unserer Geschichte ist so gut wie alles falsch! Während man sich anderswo bis zu korrekten Fahrzeug-Kennzeichen zu den historischen Details bekennt, verfährt man in dieser Szene frei nach Phantasie, was Haus, Interieur und Geschehen angeht. Von dem RAF-Attentat auf meinen Vater gab es bisher keine Bilder. Das war für uns immer ein gewisser Trost und auch ein Schutz. Diese falsche Überschreitung der Film-Version ins Private empfinde ich als besondere Perfidie.

Bettina Röhl: Dafür sind die Filmemacher verantwortlich, aber sicher ist dafür auch die notorische öffentliche Fehlverarbeitung der RAF mit ursächlich ...

Corinna Ponto: ... und für diese Überschreitungen sind natürlich auch Politiker in den Medienräten der Fernsehanstalten zuständig. Nach jahrelangen Erfahrungen mit der Aufarbeitung der RAF-Thematik, die inzwischen für mich mindestens so interessant ist wie das Thema selbst, wurde ein neuer Umgang mit den Opfern „gefunden“: Vom ewigen Verdrängungsobjekt zum Nutzungsobjekt, ehrlich gesagt, eine noch schlimmere Variante.

Bettina Röhl: Ihre Mutter hat jetzt einen großen Schritt getan. Sie hat das ihr 1988 verliehene Bundesverdienstkreuz zurückgegeben. Eine so hohe Auszeichnung gibt man nur zurück, wenn man einen wichtigen Grund dafür hat.

Corinna Ponto: Das ist richtig. Unterschiedliche Gefühle und auch Erkenntnisse der letzten Wochen haben dazu geführt. Der Hauptgrund ist, dass meine Mutter seit dem Tod ihres Mannes zwar gewohnt ist, mit Verletzungen durch die Öffentlichkeit und deren Umgang mit der RAF umzugehen, dass jetzt aber eine neue Stufe der öffentlichen Demütigungen hinzugekommen ist. Hier werden die Menschenwürde meiner Mutter und der ganzen Familie in ihrem Kern getroffen sowie Pietät und Andenken eines Toten in geschmacklosester Weise verletzt. Darüber ist sie so empört, dass sie nur mit dieser Geste ihren Protest zeigen kann.
Seit Jahrzehnten vermag dieser Staat nicht, den Opfern des nationalen Terrorismus (RAF), wie ich das Phänomen nenne, eine Gedenktafel zu widmen. Statt Aufklärung in wirklich bemühter Weise zu betreiben, wozu zum Beispiel eine genaue historische Erforschung des von der DDR unterstützten Terrorismus und die Öffnung von Akten gehört, teilfinanziert dieser Staat mittels der von ihm gebildeten Institutionen, zum Beispiel der öffentlich-rechtlichen Anstalten und durch den von Staatsminister Neumann gegründeten „Film Förder Fonds“, diesen trickreich unhistorischen und gefährlich auch zur Gewalt verführenden Film und fördert ihn damit auch ideell.

Bettina Röhl: Was war Grund und Anlass für die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Ihre Mutter?

Corinna Ponto: Meine Mutter hat 1988 das Bundesverdienstkreuz u. a. für die Gründung und Begleitung der „Bundesbegegnung Schulen musizieren“ im Zusammenwirken mit dem Schulmusik-Lehrerverband erhalten. Da sie massive Einwände hat, diesen Film gerade Schulen für den Unterricht zur Verfügung zu stellen, ist ihr dieser Akt der Rückgabe ihres Bundesverdienstkreuzes sehr wichtig. Unverantwortlich ist es eben, dass der Film als „besonders wertvoll“ eingeordnet und „ab 12 Jahren freigegeben“ wurde, indessen Constantin die Verwendung für Schüler ab 15 Jahren empfiehlt. Mit diesem Signal kann meine Mutter auch nicht warten bis die ersten Filmpreise verliehen und durch Innenminister oder Ministerpräsidenten überreicht werden. Ich unterstütze diesen Entschluss meiner Mutter, und er berührt mich sehr, denn es stehen sich zwei Positionen gegenüber: mehrere Herren und Damen, die in einem Kapitalismus-Tanz pur um Ehrungen und Geldpreise für diesen Film ringen und auf der anderen Seite eine einzelne Persönlichkeit, die ihre für jahrzehntelange ehrenamtliche Arbeit erhaltene hohe Auszeichnung zurückgibt. Sie hat auch nur diese eine moralische Möglichkeit, Haltung zu zeigen, denn es gab nie eine Lobby, Anwälte oder Historiker an unserer Seite.

Bettina Röhl: ... und die Massenbewegung, die die RAF getragen hat, hat deren Opfer immer als eine Nebensächlichkeit verachtet und ihrer schizophrener Weise gleichzeitig mit „klammheimlicher Freude“ gedacht. Ich denke an die damalige Äußerung von Joschka Fischer über die Ermordung von Siegfried Buback, Jürgen Ponto und Hanns Martin Schleyer, dass ihm bei diesen „drei Herren“ keine „rechte Trauer“ kommen könne ... und nun kommt der Film und ihm kommt auch keine rechte Trauer. Und so sind wohl auch die Bilder, die Ihre Familie betreffen, von drei Alt-68ern, die nicht über den Tellerrand ihrer eigenen Biographien hinweg schauen können, inszeniert worden.

Corinna Ponto: Der Film beschönigt nichts“ – so hieß es allenthalben. Das sehen wir speziell für „unsere Szene“ konträr anders. An unserer Szene ist, wie ich bereits sagte, fast alles falsch! Exaktheit und Phantasie werden in diesem Film unklar verteilt: Geschichtlich sehen wir ein Berlin ohne Mauer und ein Deutschland ohne DDR. Wenn es aber um die dargestellte Umgebung der Terroristen geht, wurde genau recherchiert; so wurden die Klo-Schüsseln im Stammheimer Gefängnis originalgetreu rekonstruiert oder wieder verwendet. Stammheimer Prozess-Tonbänder wurden von den Schauspielern 200 Mal als historisches Material angehört, um möglichst den authentischen Ton zu treffen. Bei den Umständen des 30. Juli 1977 hingegen beruft man sich auf die spielfilmbezogene „künstlerische Freiheit“, vermutlich auch als juristische Absicherung.

Bettina Röhl: Worin bestehen die historischen, tatsächlichen Fehler genau?

Corinna Ponto: Die vier verantwortungslosesten Fehler sind: Erstens: Meine Mutter saß nicht, wie im Film dargestellt, ladylike und unbeteiligt während des Attentates auf der Terrasse, sondern sie saß im ziemlich abgedunkelten Raum erstarrt am Telefon, sieben Meter von ihrem Mann entfernt, als er erschossen wurde. Sie wurde also zu einer direkten Zeugin der Mordtat. Wäre diese korrekte Darstellung eine allzu parteiergreifende  Emotionalisierung gewesen? Stellen Sie sich bitte einen Film über das Attentat auf Kennedy vor, und Jackie Kennedy säße in einem folgenden Begleitfahrzeug. Ginge dies auch als künstlerische Freiheit durch?
Der zweite schwerwiegende Fehler ist die verniedlichende, fast verspielte Darstellung der Susanne Albrecht  – eine komplette Fehlbesetzung. Die damals 27 Jahre alte, groß gewachsene Susanne Albrecht hatte zu der Zeit einen athletisch gut trainierten, braun gebrannten Körper, wahrscheinlich von Ausbildungscamps gekräftigt; die Backen und Augenlider waren drogen-geschwollen; sie hatte an dem Tag eine fast perückenartige Lockenfrisur. Sie sprach und bewegte sich sehr schnell. Und essentiell wichtig, um ihre Tat korrekt einschätzen zu können: es fehlen im Film ihre beiden vorbereitenden Spionagebesuche inklusive Übernachtung in den zwei Monaten zuvor, bei denen ich sie selbst erlebt habe. Übrigens fehlt im Film auch der nach der Ermordung meines Vaters am 30. 7. 1977 erfolgte, bis heute unaufgeklärte Sprengstoffanschlag am 5. August im bewachten Garten.
Dritter Fehler: Brigitte Mohnhaupt trug, passend zum Kostüm, ein gelbes Rundum-Kopftuch, aus dem keine einzige Haarspitze hervorkam. Auch hier ein Beispiel für gravierende Beschönigung. Denn nur mit Haarband und voller Haarpracht konnte man natürlich die Figur der Terror-Barbie Mohnhaupt im Film so sexy entwickeln. Das Kopftuch war aber der Grund, weshalb meine Mutter und auch zweite Zeuge, Herr M., die Täterin Mohnhaupt zunächst nicht identifizieren konnten.

Bettina Röhl: Was war der vierte Fehler?

Corinna Ponto: Der wohl unverzeihlichste Fehler ist die Darstellung des Todes meines Vaters selbst. Es war ein lautloser, fast geräuschloser, unheimlich stiller Tod, denn die Pistolen hatten Schalldämpfer, und es ging alles sehr schnell. Das lärmende Knallen der Pistolen, das ausgekostete Röcheln und der brutalisierte Todeskampf sind von der Regie erfunden worden. 

Bettina Röhl: Der Film zeigt  kurz einen mit Ach und Krach halbwegs nett dargestellten Jürgen Ponto, der aber keine Rolle hat und nur auftritt, um ermordet zu werden ...

Corinna Ponto: Ja, und Tränen und Schmerz gibt es natürlich nur bei Susanne Albrecht, auf deren Person dann der Film das Mitgefühl des Zuschauers lenkt ...

Bettina Röhl: Eine der dramatischsten Szenen des ganzen Films. Der Zuschauer erlebt in der Tat, wie sich Albrecht (gespielt von der Schauspielerin Hannah Herzsprung) vor Schuldgefühlen windet, heult und schreit. Die Filmemacher zocken das Mitleid des Zuschauers zu Gunsten der Terroristin ...

Corinna Ponto: ... wie auch in verschiedenen anderen Szenen ausnahmslos Verzweiflung, Trauer und Schmerz bei den Tätern gezeigt werden. Bei den Opfern werden sie stets weggelassen, weg geschnitten. Es gilt: Alles für die Cuts.
Makaber ist im Film auch der erschrockene Sekundenblick der Darstellerin meiner Mutter nach dem Attentat, der herüberkommt nach dem Motto: „Oh, die Kaffeekanne ist umgefallen!“ Ich könnte mit dieser Aufzählung noch essayhaft lange weiter sprechen - wir brechen hier jetzt einmal ab.

Bettina Röhl: Uli Edel sagte neulich im Fernsehen, dass er versucht hat, alles nach der Zeugin Frau Ponto, Ihrer Mutter, allerdings nach Aktenlage, zu rekonstruieren, dass er aber, was die Täterseite anbelangt, sich nicht auf die Akten beschränkt hat, sondern Gespräche mit den Ex-Terroristen geführt hat.  Haben sich die Filmmacher nie mit Ihnen in Verbindung gesetzt?

Corinna Ponto: Nein, es gab nur einen unbeholfenen, unprofessionellen Versuch, der sofort im Sande verlief; vermutlich aus dem Grund, wie Herr Aust wörtlich sagte, die Darstellung dieser Szenen „müssten wir uns schon selber zutrauen“. Und, wie Regisseur Edel bemerkte: „Die Opfer seien nicht so interessant, weil sie ja nur aus ihren normalen Leben gefallen sind“. Ich unterstelle jedenfalls den Profis Aust, Edel und Eichinger, dass sie dies alles genau so gewollt haben. So wie ich Chronist Aust unterstelle, dass er bei all den Badeszenen eine sehr wichtige weglässt: Nämlich das erfrischende Baden und Gitarrenspiel von Teilen der RAF in der ersten August-Hälfte 1977 auf einer kleinen griechischen Insel nördlich von Kalymnos zur Erholung vom Morden am 30. Juli und zur Vorbereitung der Entführung Hanns-Martin Schleyers.

Bettina Röhl: Wenn jemand leicht fahrlässig einen Verkehrsunfall verursacht und dabei der Ernährer einer Familie zu Tode kommt, kann es zu Schadenersatzverpflichtungen zu Gunsten Familie kommen. Haben die Terroristen Ihrer Familie je einen finanziellen Schadenersatz gezahlt?

Corinna Ponto: Diese Frage wurde überhaupt noch nie aufgeworfen.

Bettina Röhl: Was würden Sie sich wünschen, was ist Ihr Anliegen?

Corinna Ponto: Zunächst einmal ist es unsere Verpflichtung, uns zu äußern, denn sonst würde das große Missverständnis entstehen: Wer schweigt, stimmt zu. Ich möchte, dass dieser Film mit anderem, geschärftem Blick gesehen wird. Er ist kein Beitrag zur Aufklärung und Aufarbeitung des RAF-Terrorismus, sondern ein Spiel- und Unterhaltungsfilm, auf Kosten der historischen Fakten. Zudem kann man nicht den nationalen Terrorismus der RAF auf Baader, Meinhof & Co verengen und die Geschichte auf zehn Jahre ab 1967 reduzieren; das ist eine Respektlosigkeit den vielen anderen Opfern gegenüber und ja auch ein bekannter Mangel der Vorlage, Stefan Austs Buch.
Filmhistoriker, Soziologen, Psychologen sollten diesen Film, auch unter den oben genannten Aspekten, genau analysieren. Dazu gehören auch die ästhetische Analyse und die Untersuchung der hier besonders aufschlussreich tendenziell, sprich zu Gunsten der Täter, verwendeten Musik.

Bettina Röhl: Warum greifen Sie die Filmszene, die Ihre Familie betrifft nicht gerichtlich an?

Corinna Ponto: Als Privatperson ist es einem nicht zuzumuten gegen einen solchen Film, der von den größten Medienanstalten Deutschlands und natürlich auch von vielen Zeitungen und Zeitschriften mit redaktioneller Werbung so einzigartig beworben wird, wie es für diesen Film geschieht, gerichtlich vorzugehen. Um hier das eigene Persönlichkeitsrecht durchzusetzen, müsste man vor Gerichte ziehen, die im Zweifel vom selben Zeitgeist gefangen sind.

Bettina Röhl: Nach dem der Film vom  Steuer- und Rundfunkgebühren-Zahler im Wesentlichen bezahlt wurde, sehen Sie die Intendanten und die Politiker in der Pflicht jetzt zu handeln? Ich meine, es ist ja nie zu spät etwas richtig zu stellen.

Corinna Ponto: Im Grunde genommen haben Sie recht, aber so stark fühlen wir uns nicht. Gleichwohl wollten wir jetzt etwas tun, und meine Mutter hat jetzt ein Signal gesetzt